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PERSÖNLICHKEITEN

Ich entdecke spannende Menschen und spreche mit ihnen. Klar, darauf fußen viele journalistische Darstellungsformen. Bei mir entstehen daraus häufig Wortlaut-Interviews. Handwerk oder Kunst? Ihre Entscheidung.

In meinem Blog Moment: New York gibt es weitere Geschichten und Interviews - raten Sie mal, zu welchem Thema?

Referenzen einmal anders: eine Auswahl an Persönlichkeiten, mit denen ich gesprochen habe. Hinter besonders hervorgehobenen Namen verbirgt sich ein Auszug aus dem jeweiligen Interview.

Elizabeth Strout * Jason Wu * Malcolm McLaren * Yu Tsai * Hartmut Esslinger

David Wyndorf * Claus Kleber * Daniel Coyle * Fritz Pleitgen * James Frey

Jean Michel Jarre * Scott Weiland * Sibylle Berg * Jimmy Wales * DBC Pierre

Jutta Kleinschmidt * Cecilia Bartoli * Armin Rohde * Marilyn Manson * Donna Leon

Henry Rollins * Sinead O'Connor * Emily the Strange * Paul Frank * Jim Rakete

Iris Berben * Romain de Marchi * Götz Alsmann *

Yu Tsai: “Ein bisschen Drama macht Spaß.”

Erschienen in X-Ray, Januar 2011

Yu Tsai ist schwer beschäftigt. Er arbeitet an einer Kampagne für Coca-Cola, parallel plant er als Creative Director für FreeSoul. Zwischendrin spricht er über die Dramatik seiner Fotos, über eine Karriere, die aus einem Wissenschaftler einen Modefotografen machte – und über ein Style No-Go im wahrsten Sinne des Wortes.

Was bedeutet Ihnen Modefotografie?

Yu Tsai: Ich denke, sie ist fast Journalismus. Wenn es Krieg gibt, geht man hin, um Kriegsbilder zu machen. In der Mode dokumentieren wir bloß eine andere Situation. Fertig. Es hat sich so ergeben, dass wir Haare und Makeup für diese Zeit, das Modedesign für die Winterkollektion 2011 dokumentieren.

Um dokumentarisch zu arbeiten, hätten Sie aber ein klassischeres Thema wählen können.

Ich kann Ihnen sagen, am Anfang hatte ich nichts für Modefotografie übrig. Weil ich echt dachte, diese Leute spinnen. Und das glaube ich immer noch. Aber ich finde auch, es ist eine spaßige Art, verrückt zu sein. Zu Beginn konzentrierte ich mich auf Stillleben, ich wollte keine Menschen fotografieren. Darin habe ich mich wohl erst mit der Zeit verliebt.

Was war die Hauptidee für die FreeSoul Herbst/Winter-Kampagne 2010?

FreeSoul war für mich schon immer eine Marke, die wir über eine einfache Jeanskampagne erheben wollen. Wir mögen 70er Glam, wir möchten die Männer maskulin und die Mädchen sexy, aber kultiviert. Davon gehe ich in jeder Saison aus. Mir ist es sehr wichtig, eine gute Geschichte zu erzählen. Diesmal richte ich die Idee auf ein voyeuristisches Abenteuer. Wir beobachten sie fast wie eine Überwachungskamera, betrachten sie von weitem. Das verleiht den Bildern ein echtes Kinogefühl.

Das leuchtet ein, weil Sie ja auch Videos drehen – am selben Set. Und selbst Ihre Fotos vermitteln dramatische Spannung. Woher kommt das?

Es gibt so viele Marken, die Menschen hübsche Kleider tragen lassen. Warum nicht ein bisschen Drama zufügen? Vor allem muss es Spaß machen. Und ein bisschen Drama macht Spaß, finde ich. Ich führe Regie bei einer Geschichte, und die Fotografie hält ein einzelnes Bild meiner Arbeit fest.

Geht das auch mal schief?

Ja! Manchmal kriegt man das Model einfach nicht dazu, ein guter Schauspieler zu sein. Das passiert ständig (lacht). Dann ist es mein Job, es zu triezen, bis ich bekomme, was ich will.

Gibt es dabei Tricks?

Na ja, bevor ich Fotograf wurde, war ich Biologe, und ich habe auch einen Abschluss in Psychologie. Vieles gründet auf gute Kommunikation. Und Vertrauen.

Warum gaben Sie die Biologie auf und gingen zur Kunsthochschule?

Kurz vor meinem Biologie-Abschluss belegte ich ein Kunstseminar. Ich wollte einfach ein Seminar, bei dem ich nicht zu viel nachdenken musste, bloß hingehen, etwas zeichnen und dann nach Hause. Die Professorin dort sah ein Notizbuch, das ich während meiner Zeit in Afrika vier Monate zuvor führte. Sie bat mich, es ihr zu leihen, ich willigte ein, und ohne mein Wissen reichte sie es beim Art Center College of Pasadena ein. Ich bekam damit ein Vollstipendium.

Haben Sie das wissenschaftliche Studium beendet?

Ja. Ich beende alles, was ich beginne. Und ich will an der Spitze abschließen. Bei allem, was ich tue, will ich der Beste sein. Ich mache nichts, bis ich nicht bei meiner Höchstleistung bin. Ich hatte drei Hauptfächer: Biologie, Psychologie und Zoologie. Sie alle schloss ich binnen vier Jahren ab. Und dann wurde ich Fotograf (lacht.

Was sagten Ihre Eltern, als Sie zur Kunsthochschule gingen?

Meine Eltern hatten mit meinem Ausbildungsweg nicht viel zu tun. Ich kümmerte mich selbst um meine Schulen, schon in der High School hatte ich Stipendien. Es gab keine Entscheidung, bei der sie etwas zu sagen hatten, und ich musste nie um Zustimmung bitten.

Ich schätze, viele Jugendliche wüssten gern, wie sie da hinkommen.

Denen würde ich raten: Besorgt euch frühzeitig einen Job, verdient euer eigenes Geld und verlasst euch nicht auf eure Eltern. Denn das habe ich nicht getan. Wenn ich dann Hunger hatte, war das meine Wahl. Jeden Schritt auf dem Weg hatte ich mir so ausgesucht. An keinem Punkt schuldete ich irgendwem Rechenschaft. Ich glaube, deshalb wurde ich Fotograf: Wir tun, was wir wollen (lacht).

Welcher Fehler beim Shooting bringt Sie auf die Palme?

Ich mag keine Flip-Flops auf meinem Set. Ich will keine hässlichen, dreckigen Füße sehen, wenn ich arbeite. Ich finde, bei jeder Art Job soll man sich angemessen kleiden, Respekt vor dem, was man tut, ist wichtig. Deshalb trägt mein komplettes Team Krawatte, schwarzes Hemd und schwarze Hose.

Und wenn ein Model in Flip-Flops kommt?

Na ja, wenn das zum geforderten Look gehört, okay. Wenn nicht, gebe ich ihm ein Paar Gucci-Schuhe und lasse ihn die den ganzen Tag tragen.

Betrachten Sie es als Ihren Job, die Schönheit in einem Menschen zu finden?

Ich denke, es ist mein Job, Promis beim Shooting das Gefühl zu geben, sie seien schön. Das heißt aber nicht unbedingt, dass mir zusagt, was sie schön finden.

Sie sollten Diplomat werden.

Vielleicht in der nächsten Karriere (lacht). Aber ich sage immer meine Meinung. Etwa: ‚Ich finde das hässlich, aber wenn es Ihnen gefällt, mache ich das so.’ Und ich kann ein Bild absichtlich so richtig hässlich machen. Wenn sie ein hübsches Bild haben möchten, sollten sie vielleicht bedenken, wie ich es beleuchten werde.

Erpressen Sie etwa Leute auf dem Set?

Neee. Brauche ich gar nicht. Sie sabotieren sich selbst gut genug.

Ach, sind Sie fies!

(lacht) Stimmt aber doch. Es ist ein komisches Geschäft. Man kann für jeden ein schönes Bild finden. Das glaube ich wirklich. Nur: Ich sage damit nicht, dass ich diese Schönheit in jedem finden kann (lacht), aber ich glaube, dass es sie gibt.

Der in Taiwan geborene Yu Tsai arbeitet in LA und New York. Bevor er sich der Fotografie zuwandte, war er Art Director und drehte Fernsehwerbung. Seine Fotos erschienen in Magazinen wie Harper’s Bazaar, Vogue Japan und GQ, und in Kampagnen für Coach, Puma oder Emporio Armani. Vor seiner Linse standen schon Promis wie Zooey Deschanel, Ewan McGregor und Lindsay Lohan.

 

NACH OBEN!