Referenzen einmal anders: eine Auswahl an Persönlichkeiten, mit denen ich gesprochen habe. Hinter besonders hervorgehobenen Namen verbirgt sich ein Auszug aus dem jeweiligen Interview.
Elizabeth Strout * Jason Wu * Malcolm McLaren * Yu Tsai * Hartmut Esslinger
David Wyndorf * Claus Kleber * Daniel Coyle * Fritz Pleitgen * James Frey
Jean Michel Jarre * Scott Weiland * Sibylle Berg * Jimmy Wales * DBC Pierre
Jutta Kleinschmidt * Cecilia Bartoli * Armin Rohde * Marilyn Manson * Donna Leon
Henry Rollins * Sinead O'Connor * Emily the Strange * Paul Frank * Jim Rakete
Iris Berben * Romain de Marchi * Götz Alsmann *
Dave Wyndorf: "Ich war schon immer ein Satiriker."
Erschienen in Visions, November 2010
Als Dave Wyndorf ans Telefon geht, erzählt er zwar von Musik, aber zunächst nicht vom neuen Monster Magnet-Album Mastermind. Gut aufgelegt stellt er sich sein Leben als Comic vor, bricht eine Lanze für gutes Benehmen und erklärt, wie das zum Monster Magnet-Image passt.
Hi Dave, wie geht's dir, gut geschlafen?
Dave Wyndorf: Ich habe nicht viel geschlafen. Ich bin kein guter Schläfer. Aber ich habe viel Arbeit fertiggekriegt, und das ist gut. Ich habe zwei Songs den letzten Schliff gegeben, die ich mit meiner eigenen kleinen Plattenfirma namens Studio 13 herausbringen werde.
Davon habe ich gehört. Werden das die Stücke mit Streichern und Instrumentalem, von denen du schon beim letzten Album gesprochen hast?
Ja, definitiv. Diese Art von Musik hatte ich schon lange im Kopf, aber ich konnte keinen Platz dafür finden. Es gab nie eine Gelegenheit für ein Soloalbum. Also habe ich mir gedacht: Warum fange ich das nicht klein an? Es wird eine Reihe mit 7-Inches und Download-Cards, ein bisschen Garagenrock, seltsames ruhiges Zeug, vielleicht Soundtrack-Artiges.
Du bist so begeistert von diesen neuen Klängen. Wie kommt es da, dass Mastermind ein straightes Rock-Album geworden ist?
Manches von dem Zeug wird echt schräg. Aber gleichzeitig kamen all diese fetten, alten, haarigen Rocksongs aus mir heraus. Ich dachte: Eins nach dem anderen.
Beschreibt der Song "Dig That Hole" eins deiner Backstage-Szenarien?
Na ja, da werden Pillen erwähnt, aber eigentlich geht es in dem Song darum, sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen. Für mich war das so: Ich habe gejammert, dass ich nicht schlafen kann, bin zum Arzt gegangen und der sagte: Hier, nimm eine Tablette, dann geht's dir besser. Damit habe ich mir ein Loch geschaufelt, aus dem ich lange Zeit nicht wieder herauskommen konnte. Außerdem geht es ums Überleben im Amerika des 21. Jahrhunderts. Ich erwähne etwas wie "It's all about me". Ich, verstehst du, es geht nur um mich!
Na klar, du bist ja das Mastermind.
(lacht) Nein, ich meinte nicht mich selbst, sondern diese Haltung, die heutzutage in der Luft zu liegen scheint. Besonders in Amerika. Denk an "American Idol" oder so etwas: Ich will nicht schwer arbeiten, ich will nur etwas gewinnen. Ich will meinen Anteil.
Hast du auch mal so gedacht?
Vielleicht ein bisschen, aber ich habe nie gedacht, ich hätte ein Anrecht darauf. Ich finde es wichtig, hart an etwas zu arbeiten, woran man glaubt. Man kann nicht einfach an überhaupt nichts glauben und dann erwarten, dass man gewinnt. Gutes Benehmen wird zu einer Sache von anno Tobak. Ein guter Mensch zu sein, im alten Sinne des Wortes, auch mal etwas zu opfern für andere, das scheint in den USA als Schwäche wahrgenommen zu werden. Es ist nicht völlig verschwunden. Aber über die gesamte Bandbreite der Werbewelt, bei allem, was du in den Medien siehst, scheint es so ziemlich in Ordnung zu sein zu sagen: Scheiß auf dich, ich verdiene das hier, steh mir ja nicht im Weg. Das finde ich nicht gut.
Aber mit der Musik, den Texten und dem Lifestyle, den du zumindest bis vor deiner Überdosiserfahrung präsentiert hast, warst du doch ein Teil des "Mir doch egal, ob ich ein guter Mensch bin"-Denkens.
Nein, finde ich nicht. Vielleicht habe ich den Fehler gemacht, mich da nicht richtig zu erklären. Ich war schon immer ein Satiriker. Meine Texte und die Songs, das Rock'n'Roll-Zeug, das Geld und all das, das sollte eine Satire sein. Es war ein Kommentar zur Kultur. Ich habe das gelebt, klar, ich habe eine Lederhose angezogen und bin herumgesprungen und so, aber ich weiß nicht, ob ich wirklich ein Teil davon war oder nicht doch mehr ein Spiegel. Vielleicht war ich mehr ein Teil davon als ich dachte. Aber ich betrachte mich lieber als einen Typen, der sich einer schrägen Fantasie hingibt. Wie ein Nerd, der einen Comic schreibt und dann die Chance hat, das auszuleben.
Was du erlebt hast, nennen viele "Kampf mit den inneren Dämonen". Wie wären deine Dämonen als Comicfiguren?
Sie wären keine großen, mächtigen, haarig-schrecklichen Dämonen, so wie ich sie erscheinen lasse, damit ein Song spannend wird. Hier wären sie winzig kleine Dämonen des Zweifels und der Angst. Wie kleine Gremlins, die an deinem Selbstwertgefühl und an deinen großen Träumen nagen, winzige Saboteure, die verhindern, dass du etwas Gutes schaffst und etwas aus dir machst. Das sind meine Dämonen.
Wie springst du in Songs mit den Widrigkeiten deines Lebens um?
Ein guter Komponist bringt sein Leben in der Musik unter, und es soll trotzdem etwas dabei herauskommen, mit dem auch andere etwas anfangen können. Ich will keine Songs erfinden wie: ‚Dies ist ein Song über Billy. Billy hat sich eine Rakete gekauft und ist damit zum Mond geflogen.' All meine Songs sagen stattdessen: ‚Dies ist ein Song über Dave, der ist über 50 und hat ein paar Probleme.' Aber die Leute sollen nicht sagen: Ach, dieser Nörgler. Meistens schreibt man das Schlechte zuerst, weil man es loswerden will. Ich versuche, es in meinem Kopf in etwas Gutes umzudrehen. Auch mit bescheuerten Ideen wie: ‚Oh, seit heute ist Schluss mit meiner Freundin, aber scheiß drauf, ich verwandle mich in einen Jetfighter und bombardiere alle.' Das zeigt dann, wie sehr ich über die Jahre gereift bin: Die meisten Songs enden entweder damit, dass ich auf einem Dinosaurier reite, oder dass ich sehr viel Sex habe. Es ist so albern (lacht).
Du hast über die Texte dieses Albums vorab gesagt, du hättest ein merkwürdiges Leben und würdest das jetzt aufschreiben. Was ist denn so merkwürdig an deinem Leben?
Die letzten paar Jahre waren komisch. Ich hatte ja diese Pillenüberdosis, und mein Gehirn erholte sich wieder von den Drogen. Ich habe sehr lange dafür gebraucht, wieder auf die Füße zu kommen. Mir ging es zwar soweit gut in den letzten drei oder vier Jahren, ich stand nicht in Gefahr, wieder mit Drogen anzufangen oder wie ein Irrer die Straßen zu durchstreifen. Aber ich fühlte mich nie ganz so beieinander wie vor alldem. Und immer, wenn das so langsam was wurde, passierte etwas Komisches. Das Leben nämlich. Ich habe mich von meiner Freundin getrennt, was nicht weiter sonderbar ist, das passiert ja ständig irgendwem. Und zwei Menschen aus meiner Familien starben innerhalb eines Jahres, meine ältere Schwester und dann mein älterer Bruder. Ich dachte: Oha! Ist das jetzt das Ende? Das war merkwürdig.
Was lässt dich denn jetzt ohne Beruhigungsmittel einschlafen?
Lesen macht mich schläfrig, es entspannt mich. Es lenkt mein Hirn von dem ab, was es ansonsten vielleicht wachhalten würde. Aber das Einschlafen ist gar nicht mein Problem. Durchschlafen ist mein Problem. Ich schlafe drei, vier Stunden, wenn ich Glück habe, fünf. Nach einer Weile werde ich davon etwas zittrig (lacht).
Eine letzte Frage, Dave: Wie viele Zigaretten hast du während dieses Interviews geraucht?
Ich habe eine neue Schachtel geöffnet, warte … Ich habe drei geraucht. Wie lange haben wir gesprochen?
Ungefähr eine halbe Stunde.
Oje. Das ist nicht gut. Das ist eins meiner letzten großen Themen hier: mit dem Rauchen aufhören. Wenn ich nur daran denke, ist es wie in Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug. Da sagt Lloyd Bridges: ‚Ich habe mir den falschen Tag ausgesucht, um mit dem Rauchen aufzuhören.' Und genauso ist es: Jeder Tag ist für mich der falsche Tag, um mit dem Rauchen aufzuhören. Ich müsste dazu wohl in eine psychiatrische Klinik gehen. Sie müssten mich an einen Baum binden und es buchstäblich aus mir herauspeitschen, es wie einen Dämonen exorzieren.