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Elvis Presley

PERSÖNLICHKEITEN

Ich entdecke spannende Menschen und spreche mit ihnen. Klar, darauf fußen viele journalistische Darstellungsformen. Bei mir entstehen daraus häufig Wortlaut-Interviews. Handwerk oder Kunst? Ihre Entscheidung.

In meinem Blog Moment: New York gibt es weitere Geschichten und Interviews - raten Sie mal, zu welchem Thema?

Referenzen einmal anders: eine Auswahl an Persönlichkeiten, mit denen ich gesprochen habe. Hinter besonders hervorgehobenen Namen verbirgt sich ein Auszug aus dem jeweiligen Interview.

Elizabeth Strout * Jason Wu * Malcolm McLaren * Yu Tsai * Hartmut Esslinger

David Wyndorf * Claus Kleber * Daniel Coyle * Fritz Pleitgen * James Frey

Jean Michel Jarre * Scott Weiland * Sibylle Berg * Jimmy Wales * DBC Pierre

Jutta Kleinschmidt * Cecilia Bartoli * Armin Rohde * Marilyn Manson * Donna Leon

Henry Rollins * Sinead O'Connor * Emily the Strange * Paul Frank * Jim Rakete

Iris Berben * Romain de Marchi * Götz Alsmann *

Der Duft der Rebellion

Erschienen in Blond, Dezember 2005

Der Snowboard-Profi Romain de Marchi riskiert bei Film- und Fotoproduktionen Kopf und Kragen. Aber nicht nur auf dem Snowboard lebt der 26-jährige Schweizer gefährlich: Romain de Marchi rebelliert, wo er nur kann, und redet sich auch schon mal um Kopf und Kragen. Dabei will er doch nur ein bisschen Spaß. Und ein bisschen Sex - in parfümierten Hotelzimmern.

Gemeinsam mit seinem Buddy Travis Rice riskierte Romain de Marchi letztes Jahr als erster Snowboarder den Sprung über das so genannte Chad's Gap in Utah, dem berüchtigten Riesen-Kicker mit 60 Meter entfernter Landung, über dessen Long-Distance-Flug sonst nur Skifahrer Kaffee und Erdnüsse serviert bekamen. Extreme sind Romains Markenzeichen und Obrigkeitshörigkeit zählt nicht gerade zu den Stärken des gesponserten Rebellen, dem gelegentlich schon mal eine Sicherung durchbrennt: Als vor Jahren beim Air & Style ein Kicker für die Rider geschlossen wurde, protestierte Romain auf seine Weise und brettere über ein Auto, das zu Werbezwecken dort geparkt war. Auf den Punkt gebracht: Romain rockt - mit Board oder ohne.

Statt an Wettbewerben teilzunehmen, drehst du lieber Filme und machst Fotosessions. Wie weit gehst du für einen guten Shot?

Die Leute von der Filmcrew pushen mich nicht, wenn ich mich mit einer Idee nicht wohl fühle. Schließlich steht mein Leben da auf dem Spiel, aber sie müssen für den Film nur ein Knöpfchen drücken. Es kommt vor, dass wir irgendwo sind, und ich sage: "Ich fühle das nicht. Der Ort gefällt mir nicht, irgendwas fühlt sich nicht richtig an." Aber manchmal mache ich es dann trotzdem. So kommt man weiter.

Inwieweit lebt Snowboarding von diesem "höher, größer, verrückter"?

Das muss jeder für sich selbst beurteilen. Für mich geht es in erster Linie darum, rauszukommen, mit Freunden Spaß zu haben, meine Grenzen zu erweitern und dann nach Hause zu gehen und glücklich zu sein.

Und wie erreichst du dieses Glücksgefühl?

Für mich bedeutet das, technisch anspruchsvollere Tricks zu fahren, immer höher zu springen und so weiter. Man tut das nicht nur körperlich, sondern auch im Kopf. Daraus ziehe ich meine Befriedigung.

Auch abseits der Pisten sollst du ein ganz Wilder sein. Möchtest du uns etwas beichten?

Ach, diese ganzen Gerüchte über mich, dass ich nur Party mache und mich unmöglich aufführe? Da ist schon was dran. Aber das mache ich nicht 365 Tage im Jahr. Die Leute bauen da aus dem, was sie in Magazinen lesen, ein Image auf. Man sieht das ein- oder zweimal und dann meint man eben: Der ist ja krass! Aber ich fühle mich gar nicht wie eine Partysau. Ich meine, klar gehe ich feiern. Aber nicht jedes Wochenende. Einerseits ist das gut: Die Leute kennen mich gar nicht richtig, das gefällt mir. Andererseits konzentrieren sie sich schnell auf die negativen Seiten dieses Images wie durchzudrehen, in den Knast zu gehen oder Sachen kaputt zu machen.

Was gab es denn für Gerüchte, die gar nicht stimmten?

Gar keine. Ist alles wahr… Na ja, ich lese diese Klatschseiten in den Magazinen eigentlich gar nicht, das finde ich blöd.

Sind deine Sponsoren schon mal sauer auf dich gewesen?

Klar.

Was hast du verbrochen?

Ich bin ziemlich geradeheraus, und so habe ich in Interviews schon mal auf meinen Sponsor geschissen. Da wurden die böse. Ich finde aber, man muss dieses Problem andersrum angehen: Wenn jemand von innen heraus - also zum Beispiel der Typ, der Werbung für einen fährt - draußen rumschreit, dass etwas falsch läuft, dann sollte man sich besser mal fragen, warum diese Person das rumposaunt. Und nicht mich anbrüllen deswegen. Man sollte sich lieber mal um das Problem kümmern, das ich da anspreche.

Oder dein Hauptsponsor Burton gibt dir innerhalb der Firma eine Aufgabe - zum Beispiel, indem sie dich beim Designen der Boards für die UnInc-Serie miteinbeziehen.

Diese Geschichte wurde von fünf Fahrern ins Leben gerufen: Jeff Anderson, der 2003 gestorben ist, außerdem JP Solberg, Gigi Rüff, DCP und ich. Wir haben ungefähr drei, vier Tage lang versucht, einen passenden Namen zu finden. Und weil wir gegen so einige Sachen hier sind - sozusagen Burtons hauseigene Rebellen - warum sollte das nicht UnInc heißen? Also "Un-Incorporated".

Und das heißt konkret?

Wir machen das nicht des Geldes wegen, sondern nur, weil wir Snowboarding lieben und uns künstlerisch mitteilen wollen. Für die Boards, die wir verkaufen, bekommen wir keinen Bonus. Wir spenden die Einnahmen an die JLA Foundation oder geben es Burton, damit sie damit Werbung für "UnInc" machen können. Das Verzwickte daran ist: Wir wollen rebellisch sein, lassen uns aber dabei sponsern. Wir arbeiten für ein Großunternehmen, das uns die Finanzen dafür zur Verfügung stellt, das zu tun, was wir wollen.

Klingt ja wie im Märchen.

Na ja, ich hatte ziemlichen Stress mit meinen Grafik-Ideen. Ich habe nämlich immer nackte Frauen da reingepackt. In Amerika ist Sex ein heikles Thema, das hat mir einigen Ärger eingebracht. Zum Beispiel sagen die Leute aus dem Marketing: "Wir können kein Board verkaufen, auf dem eine Frau ist, die ein Saugrohr an ihrer Vagina hat und eine Maske trägt." Da kann ich nur sagen: "Okay. Aber ihr Jungs seid echt Fake. Amerika hat die größte Pornoindustrie der Welt, und ihr benehmt euch so prüde…"

Warum wolltest du denn unbedingt nackte Frauen auf deinem Board?

Weil ich total auf Sex stehe. Ich liebe Frauen und alles, was mit Sex zu tun hat. Ich meine, unsere Aufgabe war ja wohl: Zeigt mit der Grafik etwas, das euch verkörpert. Kein Problem, da wusste ich sofort, was das ist.

Du bist vom amerikanischen Magazin "Transworld Snowboarding" schon vor drei Jahren zum "Rockstar of the Year" gewählt worden. Was hältst du von solch einer Auszeichnung?

Ich hab gedacht: "Fuck, yeah, es war Zeit, dass sie mich endlich wählen!" Meine ganzen Vorgänger waren immer nur Leute, die gar nicht richtig Party gemacht haben. Viel zu nett, um Rockstars zu sein.

Welche Ähnlichkeiten gibt es zwischen Rockstars und Snowboardern?

Sex, Drugs, Rock'n'Roll. Und Hotelzimmer verwüsten…

Wie sieht denn deins nach ein paar Stunden aus?

Kommt drauf an: Wenn ich weiß, dass ich da einen Monat bleiben werde, was manchmal passiert, dann versuche ich, es mir bequem zu machen. Das soll dann mein kleines Zuhause sein. Da gehe ich erst mal einkaufen, Duftkerzen zum Beispiel, dann riecht es gut. Und ich stelle das Bett woanders hin. Oft gefällt es mir nicht da, wo es steht. Ich habe ganz gerne viel Platz, um Stretching zu machen.

Und wie steht's mit der Ordnung?

Oh, ich bin ein Besessener, was Sauberkeit angeht. Ich kann schon mal ein oder zwei Tage mit einer unaufgeräumten Küche leben. Aber spätestens nach einer Woche drehe ich total durch und muss einfach alles aufräumen. Ich hab es gern, wenn alles an seinem Platz ist. Das habe ich wohl von meiner Mutter. (lacht) Das macht das Leben ja auch viel einfacher: Man findet alles sofort und spart Zeit.

Wo wir schon bei Mutti sind: Was hat sie gesagt, als du Snowboardprofi werden wolltest?

Ich habe viel Sport getrieben, als ich jung war. Nicht nur Snowboarden, auch Judo und Radrennen. Als ich etwa 13, 14 war, habe ich meinen Eltern gesagt, dass ich die anderen beiden Sportarten nicht mehr weitermachen will. Ich wollte nur noch snowboarden. Sie hatten dafür Verständnis, sagte aber auch: "Du brauchst eine Ausbildung, bevor du das machst. Denn wenn du dich verletzt, kannst du nicht mehr beruflich snowboarden." Da hatten sie recht. Aber ich habe natürlich rebelliert und gesagt, sie hätten keine Ahnung. Trotzdem habe ich schließlich auf sie gehört und eine Ausbildung gemacht, vier Jahre lang. Ich habe also einen Job außer Snowboarding: Ich bin Elektriker.

Hast du einen Plan B für die Zeit, wenn du kein Snowboarder mehr bist?

Vor ein paar Jahren habe ich auf diese Frage noch gesagt: "Nö, ich lebe in den Tag hinein." Jetzt bin ich 26, echt alt also - zumindest in der Snowboardwelt. Die neuen Talente sind zwischen 14 und 18, und die sind schon auf der Höhe ihrer Karriere. Mittlerweile unternehme ich ein paar Schritte in die Zukunft. Ich habe eine Firma gegründet: QWST Clothing. Wir fangen gerade an, die erste Kollektion in die Läden zu bringen.

Wie bist du zur Mode gekommen?

Ich war unzufrieden mit meinen Klamottensponsoren, und Freunde kamen mit diesem Projekt daher. Also trafen wir uns mit ein paar Designern und überlegten gemeinsam, was wir wollen. Es sollte etwas für Snowboarder sein, aber gleichzeitig ganz anders als das, was die großen Marken machen. Am Anfang dachte ich: "Ach, das ist ja einfach." Aber ich merke, dass das schrittweise läuft, dass man Fehler macht, aus denen man dann lernen muss. Es ist schwierig, auf Anhieb seinen Stil zu finden. Besonders, wenn man kein Modedesigner ist. Deswegen arbeiten wir mit vielen verschiedenen Designern zusammen.

Die haben sich ganz schön auf den Stinkefinger eingeschossen.

Wir haben uns überlegt, dass wir in der ersten Kollektion ein Icon brauchen, das mich repräsentiert.

Und das ist der Finger?

Ja, den zeige ich ziemlich schnell, wenn ich frustriert bin. Zum Beispiel, wenn man im Auto sitzt und irgendso ein Arschloch fährt wie ein Irrer.

Wie fährst du denn selbst Auto?

Ganz ähnlich wie beim Snowboarden. Wenn man ein PS-starkes Auto hat, sollte man die Kraft auch nutzen, oder? Wenn ich entspannt und bedächtig wäre, würde ich mir ein Fahrrad kaufen.

 

NACH OBEN!