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Mein Herz gehört zwar Herrn Punk Rock. Aber ich dreh mich auch gern nach anderen um.

Ob mit Marilyn Manson, Sinead O’Connor oder Cecilia Bartoli: Für spannende Interviews ist mir auch der Weg nach Mailand, Las Vegas oder Wanne-Eickel nicht zu weit.

Nach meiner Rückkehr biete ich Ihnen Wortlaut-Interviews und Geschichten. Über Formate reden wir noch: Kurzes Porträt oder mehrseitiges Feature, Studiobericht oder Homestory, Essay über den größeren Zusammenhang eines musikalischen Phänomens? Ebenso professionell stelle ich Ihnen Hintergrundinformationen über Bands zusammen, die Sie für TV- oder Radiobeiträge nutzen können.

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Der menschliche Faktor

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Dave Grohl - Sound City

Der menschliche Faktor

Zurück in die Zukunft: Dave Grohl kehrt an den Ort zurück, an dem er zu Nirvana-Zeiten "Nevermind" aufnahm - und macht damit einem Reigen aus Musikprominenz jede Menge Arbeit. Um die Geschichte der Sound City Studios zu erzählen, versucht er sich erstmals als Filmemacher. Das ausufernde Projekt spannt Musiker von Neil Young bis Josh Homme ein, zieht ein Album und Mega-Konzerte nach sich und weckt selbst die Foo Fighters aus dem Winterschlaf. Und all das nur, weil Dave Grohl sich ein altes Mischpult gekauft hat.

Mit dem Kino hat es sich Dave Grohl verdorben. Er kann da nicht mehr einfach hingehen. Am 31. Januar tut er es trotzdem - und findet sich vor dem Samtvorhang wieder. "Ich denke immer, ich muss erst mal eine Rede halten", sagt er. Ein paar Leute im Publikum lachen. Und dann geht das Licht aus.

Sechs Stunden später geht das Licht über Dave Grohl wieder an. Aber Licht braucht es da gar nicht mehr. Zwischen Grohls Mundwinkeln und seinen Ohren drängeln sich Gesichtsmuskeln auf engstem Raum, seine Zähne blitzen, er strahlt wie eine Radiologen-Praxis auf dem Sirius. "Danke fürs Kommen, kommt gut nach Hause", sagt er. Mehr gibt es auch nicht zu sagen. Die Hollywood-Premiere seines ersten Films "Sound City" (s. Kasten 1), gekoppelt mit einem Konzert der Sound City Players, ist über die Bühne.

Nach gut einem Jahr Arbeit mit einer Filmcrew und zig Interviews mit Musikgrößen wie Neil Young, Tom Petty und Rick Rubin flimmert Dave Grohl an diesem Abend erst über die Leinwand und schreddert dann mehr als drei Stunden lang über die Bühne. Mit Krist Novoselic (Nirvana), Rick Springfield, Brad Wilk (Rage Against The Machine), John Fogerty (Creedence Clearwater Revival), Corey Taylor (Slipknot), Rick Nelson (Cheap Trick), Stevie Nicks (Fleetwood Mac), Robert Levon Been und Peter Hayes (Black Rebel Motorcycle Club), Lee Ving (Fear), Chris Goss (Masters Of Reality) und den kompletten Foo Fighters. Während die anderen Musiker auf- und abtreten, wechselt Grohl höchstens das Instrument. Gitarre. Schlagzeug. Bass. Nicken, rocken, strahlen.

Später werden einige sagen, das Konzert sei ein Stück Musikgeschichte gewesen, andere werden sagen, das sei eine clevere Vermarktungsstrategie, wieder andere werden sich die Einordnung knicken, aber stöhnen, es sei zu lang gewesen. Oder zu laut. Oder sie fanden es gerade lang und laut genug. Für Dave Grohl spielt das alles keine Rolle. Er hat anderes im Sinn.

Als er für sein Studio ein Neve-Mischpult kauft, reißt sich Grohl ein Stück Musikgeschichte unter den Nagel. "Ich hielt es für meine Pflicht, nicht nur zu zeigen, wie wichtig dieses Stück Equipment in der Musikgeschichte ist, sondern auch die Geschichte des Orts zu zeigen, der dieser Musik beim Entstehen half", so Grohl.

Auf dem guten Stück hat er 1991 zusammen mit Krist Novoselic und Kurt Cobain "Nevermind" aufgenommen - in den Sound City Studios (s. Kasten 2), die das Mischpult da bereits schon seit fast 20 Jahren nutzten. 2011 schließt das Tonstudio endgültig, Grohl kann kaum glauben, dass das legendäre Mischpult zu haben ist, und mit dem nostalgischen Kauf kommt die Idee, einen Kurzfilm für Youtube zu machen. Aber daraus wird nichts.

Dave Grohl fragt Musiker, die auf dem besagten Mischpult berühmte Platten aufnahmen (s. Kasten 3), ob sie über das Studio reden wollen. Und alle sagen Ja. So ist aus "Sound City" kein Youtube-Späßchen geworden, sondern eine 106 Minuten lange, mit Musikprominenz gespickte Doku, die bei einem der berühmtesten Festivals für Indie-Film-Produktionen läuft: Im "Documentary Premieres"-Programm des Sundance Film Festivals, das zwar außerhalb des Wettbewerbs gezeigt wird, aber in das man nur auf Einladung der Jury kommt. Hinter dem großen Wurf steckt nicht die Macht eines Hollywoodstudios, sondern die Macht der Erinnerung.

Grohls Status als bekannter Musiker hilft natürlich auch: Mit Leuten wie Josh Homme und Brad Wilk spielt er seit Jahren immer wieder, die kann er mal eben anrufen. Mit anderen wie Tom Petty und John Fogerty hat er zumindest vor längerer Zeit einmal die Bühne geteilt, die Chancen stehen gut, dass man sich erinnert. Aber das funktioniert nicht überall. "Hi, ich heiße Dave, du und ich haben etwas gemeinsam: Sound City. Und darüber mache ich einen Film. Würdest du gern über das Studio reden?" So kommt Grohl an Leute wie Stevie Nicks oder Lindsey Buckingham: Er schreibt E-Mails.

"Wenn du einen Computer und ein Telefon hast, kannst du einen kompletten Film machen", sagt Grohl. "Und wenn du leidenschaftlich bei der Sache bist, etwas zu sagen hast und auch noch etwas machst, das noch keiner gemacht hat, dann werden die Leute darauf aufmerksam." Grohl weiß, wie es klingt, wenn jemand mit 24 Millionen Google-Einträgen so etwas sagt. Aber er bleibt dabei: "Du hast vielleicht nicht die Telefonnummer von Paul McCartney oder eine Crew von 16 Leuten, die dir dabei hilft, eine Doku in Spielfilmlänge zu machen, aber wenn du Smartphone und Computer hast, dann hast du das Werkzeug. Allerdings brauchst du vor allem dich selbst, damit fängt es an." Wie zum Beweis läuft in derselben Programmsparte beim Sundance auch "Muscle Shoals": Die Doku über ein anderes Tonstudio mit Musikgrößen wie Aretha Franklin, Mick Jagger und Bono ist das Filmdebüt eines ehemaligen Immobilienmaklers. Mit Leidenschaft und ohne Vitamin B.

Und so vermessen es klingen mag, wenn ein etablierter Musiker davon schwatzt, dass man einfach mal machen soll: Dave Grohl hat nach dieser Maxime alles erreicht, wofür er heute bekannt ist. Einschließlich "Sound City". Grohl hat die Schule geschmissen, kann keine Noten lesen, hat sich Gitarre und Schlagzeug selbst erarbeitet. "Ich halte mich nicht für einen tollen Musiker. Ich bin ein guter Schlagzeuger, ein guter Gitarrist, nicht der Beste bei beidem", sagt er. Und dann rückt er mit seinem Geheimnis heraus: "Aber wenn ich spiele, dann spiele ich volle Kanne." Um ein wirklich guter Musiker zu werden, brauche es vor allem eines: "Man muss lieben, was man tut." So läuft das für Grohl auch beim Filmemachen.

Als ihm angesichts der vielen Zusagen klar wird, dass seine Idee für mehr taugt als für ein kleines Filmchen, sucht er sich Leute, die Ahnung haben: Sein alter Freund James A. Rota, der mit ihm den Umzug des Neve-Mischpults bewerkstelligt, arbeitet als Production Supervisor bei Filmen wie "Die Chroniken von Narnia" - und erlebt beim Bierchen nach dem Kabelschleppen, wie Grohl sich in die Idee mit dem Film verliebt. Rota stellt Dave seinem Schulfreund John Ramsay vor, der ebenfalls als Filmproduzent Erfahrung hat - und ihn überzeugt der Feuereifer dieses Debütfilmers namens Dave Grohl. Auch wenn der gleich erst mal mit der Heckenschere an die Erfolgschancen geht.

Bei einem ersten Treffen mit seinen neuen Produzenten und seinem altgedienten Management sagt er: "Ich will einen Film machen, aber ich will keine Hollywood-Leute. Ich will nicht, dass mir irgendein Vogel von einem großen Hollywood-Studio erzählt, so macht man das aber nicht. Ich habe noch nie Regie geführt, und ich wollte nicht, dass mir einer sagt: Das ist falsch." Das ist keine Kommerzfrage: Dave Grohl mag keine Lehrer. Er mag Fehler.

"Auf dieser Platte sind Leute, die Ideen hatten, die nicht funktionieren. Das passiert ständig und überall", sagt er ein gutes Jahr später. Da sitzt er im Büro seiner für den Film gegründeten Produktionsfirma in Los Angeles, mit Blick auf eine schlichte Pinnwand, auf der immer noch die Karten hängen, die die Grundgedanken des Films festhalten und sich immer wieder neu anordnen lassen. Mit dem Satz zielt er auf etwas, was am unteren rechten Ende der Pinnwand, im zweiten Teil des Films gelandet ist: Als das neue, alte Mischpult erst einmal in seiner Garage steht, lädt Grohl viele Musiker dazu ein, dort mit ihm jeweils einen Song aufzunehmen - für ein Album namens "Sound City - Real to Reel". Aber das Neve-Mischpult ist nichts für Weicheier.

Oder, wie es im Film so schön heißt: Es ist etwas für echte Kerle. Bei der Aufnahme auf ein Tonband kann man nicht einfach ein Stück zurückgehen und ein Detail noch einmal neu machen - was mit den heute üblichen digitalen Mitteln eine Frage von Sekunden ist, dauert mit dem analogen Neve ewig. Oder es geht gar nicht. Also muss man entweder alles hundertprozentig richtig spielen - oder mit den aufgenommenen Fehlern und Ungenauigkeiten leben. Mit auf Magnetband gebannten Manifesten menschlichen Versagens bringt ausgerechnet eine Maschine die Menschlichkeit in der Musik zutage.

Als Grohl im Februar 2012 den Foo Fighters-Grammy für das beste Rockalbum entgegennimmt, bricht er eine Lanze für analoge Aufnahmen und ihre Menschlichkeit - und schon braust ihm ein Shitstorm um die Ohren. Später gibt er ein Statement dazu heraus und versucht, die Wogen zu glätten. Das Thema bleibt aber seine Herzensangelegenheit. So lässt er die Musiker im Film davon erzählen, wie quälend es sein kann, ein Stück zum hundertfünfzigsten Mal zu spielen, weil das Neve-Mischpult zuvor immer irgendeinen Schnitzer aufgenommen hat. Wie es auf die Bandstimmung drückt, wenn einer auf den letzten Sekunden einer Aufnahme eine schwierige Stelle abermals vergeigt, aber auch, wie es sich anfühlt, wenn man es endlich richtig hingekriegt hat. Das alles nennt Dave Grohl den menschlichen Faktor - und der geht in seinen Augen nur allzu leicht verloren.

Greift heute jemand auf der Gitarre daneben, legt er den Ton eben später am Computer auf die richtige Höhe, man kann ein holpriges Schlagzeug so genau wie ein Schweizer Uhrwerk einstellen und ein Mäusestimmchen lauter machen, als es die Polizei erlaubt. Aber das funktioniert nur im stillen Kämmerlein. "Wenn man mit anderen Menschen zusammen Musik macht, wird einem klar: Das ist nicht perfekt", sagt Grohl. Und genau das findet er gut.

"Es sollte keine eindimensionale Angelegenheit sein, es sollte emotional sein und ungeschliffen, es sollte dein Sound sein." Von Mick Fleetwood bis Josh Homme: Bei den jeweils rund einstündigen Interviews für seinen Film hat Grohl am Ende jeden Musiker dasselbe gefragt: Welchen Rat gibst du der nächsten Musikergeneration? Kurz vor der Filmpremiere antwortet er selbst darauf: "Fühl dich wohl damit, du selbst zu sein. Lerne es zu schätzen, dass du nicht so klingst wie die anderen, dass es okay ist, etwas so zu machen, wie es dir am ehesten liegt." Das ist schwer genug. Und dann gibt es ja noch die anderen.

"Man muss im Studio sehr diplomatisch sein, beinahe wie ein Politiker. Man muss sich vergegenwärtigen: Wenn jemand eine Idee hat, die einem nicht gefällt, muss man sie erst einmal ausprobieren. Man darf nicht von vornherein sagen: Nein, das ist keine gute Idee", sagt Grohl. Im Tonstudio mache sich jeder Musiker angreifbar und verletzlich. Das macht Aufnahmen zu einem Eiertanz: Einerseits entstehen die größten Musikmomente dann, wenn alle frei von der Leber weg ihre Ideen in den Raum werfen - ohne Angst davor, ausgelacht oder abgekanzelt zu werden. Andererseits muss man sich von vielen Ideen dann doch wieder verabschieden, wenn man die Perlen heraussiebt. Damit hat sich Dave Grohl diesmal auf eine besonders heikle Gratwanderung begeben.

Das Geheimnis hat er bis zur Filmpremiere gewahrt: Am Ende taucht Paul McCartney auf, um einen Song mit Grohl, Krist Novoselic und Pat Smear aufzunehmen, mit Butch Vig (Garbage; Produzent von "Nevermind") hinter dem Neve. "Als wir den Song mit ihm spielten und zum ersten Mal auf Aufnahme drückten, kam da keine geniale Version heraus", gesteht Grohl. Aber wie sagt man Paul McCartney, dass seine Idee nicht taugt? "Gar nicht", ruft Grohl. "Weil das nie passiert!" Aber das ist nur ein Scherz.

Auch wenn McCartney im Studio mit einer lustigen Zigarrenkistengitarre auftaucht und bescheiden auftritt: Die anderen haben einen irren Respekt. Deshalb stiftet der Popmusikveteran mit seinem Teamgeist unter den Rockern die reine Panik. Im Film ist zu sehen, wie er sagt: "Okay, wir versuchen das jetzt einfach, und Butch, sag uns dann mal, was damit nicht stimmt." Die Erinnerung an diesen Moment bringt Dave Grohl zum Lachen: "Genau, Butch, sag Paul McCartney, was er tun soll. Das ist zum Schießen! Das würde doch keiner wagen." Nach einer Pause fügt er immer noch schmunzelnd hinzu: "Er ist ein Beatle, aber er ist eben auch ein Mensch."

Vor dem Alter hat Dave Grohl Ehrfurcht. Nicht nur Paul McCartneys Musik-Patina lässt seine Augen glänzen, sondern auch das weit über 30 Jahre alte Neve-Mischpult. Das liegt an dessen Anteil an so vielen Meilensteinen der Musikgeschichte. "Alles hängt vom Weg des Tonsignals ab, wie beim Spiel ‚Stille Post': Was am Ende ankommt, ist es meistens etwas ganz anderes als das, was der Erste gesagt hat", erklärt Grohl die Technik - und ihre unterschätzte Wirkung. "Es ist das letzte Stück für den Sound einer Band. Das Mischpult von Sound City ist ein weiteres Instrument, es ist das Element, das eine Platte zu dem macht, was sie ist."

Schon das letzte Album mit den Foo Fighters hat Grohl analog aufgenommen - und Fotos vom Equipment auf Twitter gestellt, was ihm prompt den Kommentar einbrachte: So haben sie früher Musik aufgenommen. Aber Dave Grohl ist kein Vintage-Hipster, der Vinyl und Schreibmaschine für den Retrolook und Streaming-Sound vom Smartphone für die Praxis nimmt. Ihm geht es um den menschlichen Faktor - und da gibt es kein Cool und Uncool.

Die Analog-Digital-Debatte klingt im Film zwar an, und sie neigt ein wenig in die Ecke "Mit der Digitaltechnik kam der Untergang des Abendlandes", bis Trent Reznor das Bild geraderückt. Doch über technische Details reden die Musiker dennoch kaum, sondern über die Menschen, die ihnen bei Sound City begegneten, und die Reibereien, Verliebtheiten, neuen Freundschaften und Trennungen, die sie bei den Aufnahmen erlebten. Passend dazu geht es bei der Filmpremiere wie bei einer Familienfeier zu.

Klar haben es Rockmusiker drauf, Posen einzunehmen, die im gleißenden Licht auf dem roten Teppich gut aussehen. Aber danach schlüpfen sie ins Kino, fallen einander in die Arme und lachen nachsichtig, als Dave Grohl wie Onkel Hugo mit einem Mikro in der Hand vor dem Samtvorhang erscheint. "Auf dem Sundance Festival musste ich ständig eine Einführung in den Film geben", entschuldigt sich Grohl dort, und jetzt kann er eben nicht mehr ins Kino gehen, ohne eine Rede zu halten. Nach Gold-, Platin- und Diamantplatten, einem Schlagzeugstock-Denkmal und einer viel diskutierten Grammy-Dankesrede hat er seit zwei Wochen eben auch eine Teilnahme am Sundance Film Festival im Sack. Das könnte schlicht eine weitere Trophäe sein. Doch für Grohl ist es mehr.

"Es ist ein Unterhaltungsfilm, aber er enthält auch eine wichtige Diskussion, die ich für pädagogisch wertvoll halte. Da können die Leute etwas lernen. Also … tja, ich schätze, das ist wohl wie eine Mission", stimmt Grohl am Ende des Interviews zu. Schließlich hat er nicht bloß einen Film abgeliefert. Er hat auch ein Album aufgenommen. Und eine Radio-Serie, in der er über den Film und das Album spricht. Und weil es ihm immer noch nicht reicht, über den menschlichen Faktor zu diskutieren und ihn im Film zu zeigen, hat er seine Gastmusiker für einen Auftritt zusammengetrommelt - beim Filmfestival in Park City. Dann hat er dasselbe für die Premiere in Hollywood getan. Und tags drauf verkündet: Es gibt auch noch eine Show in New York.

Dafür hat er sogar die Foo Fighters aus dem Winterschlaf geholt. "Eigentlich machen wir ja gerade Pause", sagt Grohl. Das hält ihn aber nicht davon ab, zum Telefon zu greifen und zu sagen: "Jungs, wir müssen in zehn Tagen 40 Songs lernen." Schließlich braucht er eine Backing Band für all die geplanten Gastmusiker. Was sagt man dazu? "Okay, Dave." Denn Grohl hat ein Händchen dafür, seine Begeisterung überspringen zu lassen - deshalb definiert er seine Aufgabe beim Filmen auch nicht als Regisseur oder Produzent, sondern als Rädelsführer.

"Jeder verstand meine Idee für den Film. Ich musste alle nur noch so gespannt und aufgeregt machen wie mich selbst. Und das war einfach", sagt er. "Mit den Foo Fighters ist es dasselbe. Wenn ich Taylor, Nate, Pat und Chris sage, dass ich da eine Idee habe, müssen sie mir damit vertrauen." Das läuft blendend mit allen, die dasselbe Feuer verspüren wie er - und es zieht immer wieder Erfolge nach sich. Dave Grohl ist gefragt. Eben erst hat er das Schlagzeug für ein neues Queens of the Stone Age-Album eingespielt.

Aber so sehr Grohl auch Beliebtheit, Auszeichnungen und das Musikmachen schätzt: Seine glücklichsten Momente findet er woanders - mit seinen Kindern. "Musikmachen, Trophäen besitzen, diese tollen Erlebnisse und Erfahrungen sind so erfüllend und sie geben mir wahnsinnig viel, da fühle ich mich als der größte Glückspilz der Welt", sagt Grohl. "Aber wenn das eigene Kind etwas tut, das einen stolz macht, das macht einen so viel stolzer." Und dann erzählt er begeistert davon, wie er gerade erst mit einem Vinyl-Boxset der Beatles nach Hause kam und seine sechsjährige Tochter die Platten auflegte, mitsang und tanzte.

Da kommt alles zusammen: Analoge Aufnahmen, der menschliche Faktor, die brennende Leidenschaft, die helle Freude - und der hoffnungsvolle Gedanke, das alles an eine neue Generation weiterreichen zu können. Doch das spielerische Leben im Feuereifer birgt auch seine Schrecken: Was andere für Spaß halten, ist für Dave Grohl der blanke Horror. "Ich mache nicht gern Urlaub. Musikmachen ist mein Urlaub", sagt er. Und gähnt.

Infohäppchen:

(1) Sound City - der Film
Dave Grohls Regiedebüt besteht aus zwei Teilen: Die Doku erzählt zunächst mit einer Mischung aus zum Teil unveröffentlichten Fotos und aktuellen Interviews die Geschichte des Tonstudios Sound City - von Fleetwood Mac über Nirvana bis zu Nine Inch Nails. Dann bringt Grohl die Musiker, die einmal dort aufgenommen haben, vor laufender Kamera in sein eigenes Studio, um mit einem Original-Mischpult von Sound City neue Songs mit ihnen aufzunehmen. Als Erzähler taucht Dave Grohl immer wieder auf - ebenso wie hinter dem Schlagzeug und an der Gitarre.

(2) Sound City - das Tonstudio
Von 1969 bis 2011 wechselte das Tonstudio in Van Nuys (Los Angeles) zwischen Hype und gähnender Leere. Besitzer Tom Skeeter und Joe Gottfried kauften ein maßgemachtes Neve-Mischpult und erreichten mit diesem Equipment und einem einfachen Raum mit unerklärlich guter Akustik einen einzigartigen Sound. Der erste Ansturm kam, nachdem Fleetwood Mac 1975 dort das selbstbetitelte Album aufnahmen - mit Stevie Nicks und Lindsey Buckingham, die sie dort kennen gelernt hatten. Der Aufstieg digitaler Technik Ende der 80er Jahre machte Sound City zu einem Fossil: Das Studio stand kurz vor der Pleite, als Nirvana dort 1991 "Nevermind" aufnahmen. Doch auch der darauffolgende Run hatte ein Ende. 2011 schloss das Studio in seiner ursprünglichen Form, inzwischen wurde es von einem neuen Besitzer umgebaut und modernisiert. Zuvor war Sound City auch bekannt dafür, wie das letzte Dreckloch auszusehen.

 

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