Ein Klick auf den jeweiligen Titel, und es gibt etwas zu lesen. Unten!
Was macht eigentlich eine Mülldesignerin?
Was Ingenieure von der Umweltkünstlerin Katell Gélébart lernen können.
karriereführer ingenieure | 04.2013
Perspektivwechsel: Hackerin vs IT-Expertin
Vier Fragen, acht Antworten.
Business Ladys | 10.2012
Mails gelöscht und nichts verpasst
Urlaub ohne E-Mail - und ohne Nacharbeiten. Ein Experiment.
Financial Times Deutschland | 01.2012
US-Unis und weibliche Führungskräfte
Wie es in den USA um Karrierefrauen bestellt ist.
Handelsblatt | 06.2011
Wie Tierliebe in New York zum Geschäft wird.
Handelsblatt | 03.2011
Kurzfeature + Interview zum Thema Whistleblower
Opak | 06.2009
Mails gelöscht und nichts verpasst
Sie müssen ja nicht gleich ganz auf den Computer verzichten. Es kann auch helfen, einfach mal alle Mails zu löschen, die im Urlaub auflaufen. Unsere Autorin hatte den Mut dazu.
"O Gott, sie-ben-hun-dert-fünf-und-acht-zig!" - Es ist eine ganz eigene Form von Prahlerei, die die Bürokultur des 21. Jahrhunderts hevorgebracht hat. Wer heutzutage auch nur eine Woche Urlaub macht, dessen E-Mail-Postfach läuft währenddessen unweigerlich voll. Kehrt man an den Arbeitsplatz zurück, kann man den Kollegen dann mit resignierter Miene die unzumutbar hohe Zahl ungelesener Nachrichten nennen - "Neunhundertdreiundreißig!" - und damit aufzeigen, wie wahnsinnig wichtig und gefragt man ist.
Aber mal ehrlich: Muss man das haben? Die ersten Tage nach den Ferien damit zubringen, knapp 1000 mehr oder weniger irrelevante Zuschriften abzuarbeiten? Ich hatte mich klar dagegen entschieden und mir einen radikalen Plan ausgedacht: Ich würde Urlaub machen und in dieser Zeit keinerlei Mails lesen. Mehr noch: Alle eingehenden Nachrichten würden unwiderruflich gelöscht. Für knapp drei Wochen wollte ich aus der digitalen Kommunikation aussteigen. Ob ich damit Kunden oder Kollegen vor den Kopf stoße? War mir schnuppe.
Ich wusste nämlich alle Argumente auf meiner Seite. Immer reden doch alle von Work-Life-Balance, von Reizüberflutung und Entschleunigung. Es soll der Konzentration dienlich sein, während der Arbeit phasenweise das E-Mail-Programm auszuschalten.
Trotzdem traut sich kaum jemand, dem Nachrichtenstrom auszuweichen. Nicht mal im Urlaub. Vielmehr suchen sich manche Leute ihren Ferienort extra danach aus, ob sie Zugang zu ihren Mails haben. Einer AOL-Umfrage zufolge tun das in den USA 19 Prozent der Menschen. 59 Prozent rufen ihre Post sogar auf dem Klo ab.
Das habe ich auch schon gemacht. Es ist würdelos, ebenso würdelos wie das Abarbeiten vieler Hundert aufgelaufener Nachrichten beim Wiedereintritt ins Büroleben. Wenn man damit durch ist, kann man eigentlich gleich den nächsten Urlaub einreichen. Deshalb also: Die Totalblockade als probates Mittel.
Meine Freude über die Idee währt indes nicht lang. "Also, ich könnte mir das nicht erlauben", sagt eine Bekannte. "Da würde ich ja Kunden verlieren!" Ich glaub, ich steh im Wald: Wir reden hier von zweieinhalb Wochen! Doch meine Weigerung, in der Erholungszeit zu arbeiten, stellt mich in puncto Radikalität offenbar auf eine Stufe mit Henry David Thoreau.
Auch als ich Experten befrage, ernte ich vor allem Kopfschütteln. Eine Personalberaterin lehnt ein Statement ab, weil sie im Urlaub ist - von dort antwortete sie gerade per E-Mail. Eine Wissenschaftlerin bedauert, sie finde dazu kaum Daten. Auch die "Business-Knigge"-Expertin Anke Quittschau sagt, so etwas habe sie bisher weder erlebt noch davon gehört. Sie fürchtet, im Job könne die Ankündigung schaden, Mails nicht zu lesen: "Ich halte das für ein absolutes No-Go. Man kann doch keinem Kunden, Geschäftspartner oder Kollegen mitteilen, dass man an seinen Informationen nicht interessiert ist." Schlecht für das Kundenvertrauen, also im Konzern nicht üblich, befindet auch Jochen Frey, Personaler bei BMW.
Durch viele Reaktionen zieht sich der Unterton, mit dem meine Mutter eine Couture-Schau kommentiert hätte: Unglaublich tolle Idee. Aber auf der Straße trägt so was doch keiner. Ganz allein im Verweigerinnenkleid stehe ich aber nicht da. Es gibt ja noch Danah Boyd.
Das US-Magazin "Fortune" kürte sie 2010 unter den "Smartest People in Tech" zur klügsten Akademikerin der Branche. Bei Microsoft Research erforscht Boyd, wie Jugendliche soziale Netzwerke nutzen. Und einmal im Jahr legt sie ein Mail-Sabbatical ein. Erstens stellt sie dann das Bloggen, Twittern und Mailen ein. Zweitens sagt sie: "Ich habe gelernt, dass Urlaub kein Urlaub ist, wenn nach der Rückkehr Tausende E-Mails auf einen warten."
Zumindest das Problem sieht auch der Arbeitspsychologe Tim Hagemann. "Man sollte nach einem Urlaub den Arbeitseinstieg so planen, dass man genügend Zeit hat, seine Mails zu beantworten." Er rät, den ersten Arbeitstag als Heimarbeit anzulegen, um die Zeit und Ruhe zu haben, die aufgelaufene Post abzurödeln. Aber genau das will ich mir ja ersparen.
Also melde ich mich einige Tage vor Urlaubsbeginn bei meinen Auftraggebern ab - und füge den nachdrücklichen Hinweis auf die geplante Löschorgie hinzu. Ein paar Tage später installiere ich noch eine schneidige Abwesenheitsnotiz ("Nachrichten werden mich niemals erreichen!"), damit es auch wirklich jeder begreift: Ich habe Urlaub, eure Mails werden gelöscht. Egal, was drinsteht.
Immerhin, grundsätzlich sei eine Abwesenheitsnotiz ja auch Pflicht, bestätigt Quittschau: weil die Leute bei Mails (im Gegensatz zu Briefen) eine rasche Antwort erwarten. "Notwendige Informationen sind: Wie lange dauert die Abwesenheit? Werden die Mails während der Abwesenheit gelesen und eventuell weitergeleitet? An wen kann man sich in dieser Zeit wenden?"
Mit meiner Spezialversion zwinge ich Absender nun zu Geduld - ich bitte darum, sich nach meiner Rückkehr erneut zu melden. Doch kaum habe ich diese Vorkehrungen getroffen, stoße ich auf ein Problem: Haben Sie schon mal versucht, den Empfang von E-Mails mit technischen Mitteln zu stoppen?
Ich dachte, das kostet mich nur ein, zwei Klicks. Aber selbst auf Server-Ebene kann ich Nachrichten zwar dauerhaft umleiten oder Spamfilter scharf stellen - aber ich finde keine Funktion, um den E-Mail-Fluss komplett zu unterbrechen. Ein Anruf beim Support bringt mir erst mal nur betretenes Schweigen auf der anderen Seite der Leitung. Dann die Idee: Ich könne doch ein weiteres Mailkonto einrichten, auf das ich alle anderen umleite - und dieses Extrakonto dann nach meiner Rückkehr löschen. Das wäre mir aber zu viel Versuchung. Stattdessen richte ich Wegwerfadressen ein, an die ich meine E-Mails umleite. Danach ist Ruhe.
Ich ertappe mich dabei, beim Packen trotzdem nebenher auf "E-Mail abrufen" zu klicken. Vergeblich. Und kaum bin ich am Urlaubsort angekommen, schalte ich reflexartig mein Smartphone ein. Aber da kommen keine Mails, da kommt überhaupt nichts, weil ich es für den Auslandseinsatz gesperrt habe. Das macht mich anfangs kribbelig, später gewöhne ich mich daran.
Und nach meiner Rückkehr ins Berufsleben? Wartet ein absolut jungfräulicher Posteingang auf mich. Herrlich ist das. Ansonsten bleibt die Arbeit erstaunlich normal. Meine Auftraggeber schicken mir weiter Anfragen, die Kollegen schreiben "Bist Du wieder da, wie war's?", und mir unbekannte nigerianische Millionäre brauchen immer noch meine Hilfe beim Geldtransfer. Es sieht so aus, als hätte mir die digitale Welt meinen Mailausstieg nicht weiter übel genommen.
Trotzdem würde ich lügen, wenn ich sagte: Es passiert überhaupt nichts, wenn man auf E-Mail-Diät geht. Es kam nämlich doch noch etwas, kaum dass ich meine Ankündigungsmail verschickt hatte. Es antwortete ein Redakteur. Er bat um diesen Artikel hier.