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KOPF+ZAHL

Die Wissenschaft hat festgestellt ... es gibt Wichtigeres als Geld.

Im Interview mit einem Glücksforscher finde ich heraus: Geld macht glücklich. Aber nur, bis ein gewisser Wohlstand erreicht ist. Von einem Werbeguru lasse ich mir erklären, wofür wir dieses Geld dann aus welchem Grund wieder ausgeben.

Ich spreche mit Menschen aus Wissenschaft und Wirtschaft - und schreibe darüber, wo die Made den Speck zu finden glaubt (und wem er gehört). In Porträts und Features taste ich mich an Karrierewegen entlang, suche Ideen und finde Fallen.

Ein Klick auf den jeweiligen Titel, und es gibt etwas zu lesen. Unten!

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Helden auf Hartz IV

Kurzfeature + Interview zum Thema Whistleblower

Opak | 06.2009

Helden auf Hartz IV

Freie Meinungsäußerung auf der einen Seite, Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber auf der anderen: Whistleblower stecken in einem Dilemma. Sie wollen helfen, Gefahren oder Fehlverhalten an ihrem Arbeitsplatz zu beseitigen. Und kriegen dafür keinen Orden, sondern Ärger.

Irgendwo in einem Kühlhaus klebt einer frische Etiketten auf gammeliges Fleisch. Irgendwo in einem Altenheim vegetieren vernachlässigte Menschen dahin. Irgendwo in einem Finanzamt bekommen Steuerfahnder die Anweisung, bestimmte Fälle nicht weiter zu bearbeiten. Und irgendwann kommt all das ans Licht - weil Mitarbeiter der jeweiligen Firma, Organisation oder Behörde Alarm geschlagen haben. Sie sind Helden. Sollte man meinen. Und doch tragen sie in Deutschland keinen guten Namen. Verräter, Petze, Denunziant, Nestbeschmutzer. Selbst bei "Whistleblower" denkt mancher ans Verpfeifen - dabei lässt es sich am ehesten mit "Alarmschläger" übersetzen.

Hollywood liebt solche Menschen: "Silkwood" (1983), "The Informant" (Oktober 2009) und "The Whistleblower" (2010) beruhen auf wahren Geschichten - und gehen nicht gut aus. Dramatische Bearbeitung, mag man meinen. Aber im wirklichen Leben stehen Whistleblower nicht besser da. Selten werden sie für ihre Rechtschaffenheit belohnt. Und oft sehen sie ihr Anliegen in endlosen Verfahren versanden. Familien zerbrechen, Geldsorgen drücken, hinzu kommen oft psychische und psychosomatische Störungen. Eine US-Studie von 2007 untersuchte, wie viele Whistleblower gefeuert werden, unter Druck selbst kündigen oder in ganz andere Arbeitsbereiche versetzt werden. Ergebnis: 82% derjenigen Befragten, deren Namen bekannt wurden.

Auf anonymen Hinweisgebersystemen, die sogar Rückfragen ermöglichen, liegen deshalb große Hoffnungen. Aus einer solchen Informationsquelle schöpft etwa das LKA Niedersachsen bei Korruptionsfällen, weil sich sowohl Geber als auch Nehmer von Schmiergeldern strafbar machen und entsprechend selten zu Zeugenaussagen bereit sind. 1.082 Meldungen gingen dort seit Oktober 2003 ein, sie führten zu 470 Ermittlungsverfahren, weitere 74 bezogen sich auf bereits laufende Verfahren. Ein Erfolg. Trotzdem schaffen solche Systeme allein keinen wirksamen Informantenschutz. Das erklärt Guido Strack, ehemaliger Whistleblower bei der EU-Kommission in Brüssel, heute Vorsitzender des Whistleblower-Netzwerks. Etwa 30 Whistleblower pro Jahr berät er dort, hilfreich ist seine Sachkenntnis als Jurist.

Herr Strack, wie reagieren Unternehmen auf Whistleblowing?

Guido Strack: Es kommt auf die Interessenlage im Unternehmen an. Es kann sein, dass die Entscheidungsträger den Hinweis ernstnehmen, den Missstand abstellen und im Idealfall sogar den Whistleblower dafür belobigen oder befördern. Andererseits kann es natürlich auch sein, dass die Unternehmensleitung sich auf den Schlips getreten fühlt. Sei es, weil Hierarchien verletzt wurden, weil Seilschaften bestehen und Übeltäter gedeckt werden sollen, weil man negative Publicity befürchtet oder weil das Unternehmen bewusst auf Rechtsverletzungen setzt, um sich Vorteile am Markt zu schaffen. Wenn so etwas der Fall ist, ist damit zu rechnen, dass der Whistleblower sanktioniert wird. Von der offiziellen Abmahnung und Entlassung bis hin zu subtileren Mitteln des Mobbings und Bossings.

Dann doch besser anonym bleiben. Wie vermeidet man das Bekanntwerden?

Da gibt es zwei Punkte zu beachten: zum einen die Information selbst, zum anderen den Weg der Übermittlung. Wer anonym bleiben will, sollte nicht vom Arbeitsplatz aus aktiv werden, weil dort heutzutage fast sämtliche Aktivitäten registriert werden, etwa über die Verbindungsdaten der Telefonate oder Computer. Besser wäre die Kontaktaufnahme von einem Internetcafé aus, das nicht direkt vor der Haustür liegt. Der Vermittlungsweg ist aber gar nicht das eigentliche Problem - sondern der Inhalt der Information. Über den Informationsgehalt kann man sich wesentlich leichter verraten als über den Informationsweg. Tritt ein Missstand nur an einer Stelle auf, gibt es im Regelfall nur einen ganz kleinen Kreis potenzieller Informanten oder Mitwisser. Da sind rasche Rückschlüsse möglich. Problematisch ist zudem, dass anonyme Whistleblower rechtlich schlechter geschützt sind als nicht-anonyme.

Wo liegen die juristischen Fallstricke?

Das Bundesarbeitsgericht sagt ganz klar, dass der Whistleblower sich dann nicht auf Artikel 5, die Meinungsfreiheit, berufen kann, wenn er das Ganze zunächst anonym gemeldet hat. Auf der einen Seite wird also von den Unternehmen die Anonymität als Königsweg des gefahrlosen Whistleblowings hingestellt, auf der anderen Seite sagt die Rechtssprechung: Wenn du es einmal anonym gemacht hast, kannst du dich nicht mehr auf Artikel 5 berufen, falls du später auffliegst. Noch ein Fallstrick: Arbeitnehmer unterliegen der Treuepflicht. Daraus folgern die Gerichte meist, dass sich der Arbeitnehmer zunächst an seinen Arbeitgeber oder dessen Beauftragte wenden muss, um auf Missstände hinzuweisen. Nur wenn von vornherein klar ist, dass von dem keine Abhilfe erfolgen wird - dafür hat aber der Arbeitnehmer die Beweislast - dann kann er sich ausnahmsweise auch an Behörden wenden. An die Öffentlichkeit im Prinzip gar nicht. Im Zweifelsfall ist der beste Tipp: berufliche Alternativen schaffen. Hat man selbst gekündigt und einen neuen Job, ist das Druckpotential der anderen Seite wesentlich geringer.

Wie sieht es mit den Beweismitteln aus: Darf ich Dokumente aus dem Büro mitnehmen oder kopieren?

Man darf Dokumente weder kopieren noch mitnehmen. Das Kopieren kann nicht nur strafrechtliche, sondern auch zivilrechtliche Konsequenzen haben, und bei den Originalen kann es auch Urkundenunterdrückung sein. Man macht sich damit auf jeden Fall angreifbar. Es ist schwierig: Auf der einen Seite wird dem Whistleblower kein Glauben geschenkt, wenn er seine Hinweise nicht belegen kann, auf der anderen Seite hat er im Prinzip kaum legale Möglichkeiten dazu.

Das klingt alles ganz schön gefährlich. Was sind denn die Gründe dafür, es trotzdem zu machen?

Letztlich machen Whistleblower es vor allem, um mit sich selbst in Einklang zu sein. Bei einigen sind es religiöse, ethische Motive. Bei vielen spricht einfach das Pflichtgefühl. Auch der Berufsethos spielt eine Rolle, wenn jemand es nicht hinnehmen will, dass vor seiner Nase Missstände existieren. Teilweise erwartet das auch die Rechtssprechung. Zum Beispiel im Pflegebereich, wo durch systematische Personalunterausstattung Pflegebedürftige gefährdet werden: Die Ersten, die gehenkt werden, sind die einfachen Pflegerinnen, weil sie irgendwann aufgrund dieser Situation Fehler machen und für diese Fehler dann strafrechtlich in Anspruch genommen werden, beispielsweise wegen fahrlässiger Tötung oder fahrlässiger Körperverletzung.

Wie kann ich Risiken abschätzen, bevor ich zur Whistleblowerin werde?

Man sollte sich anschauen: Gab es schon entsprechende Fälle im Unternehmen? Wie ist damit umgegangen worden? Gibt es Kanäle, auf denen das Unternehmen das gemeldet haben will, und wenn ja: Gibt es Veröffentlichungen über die Praxis dieser Instrumente? Dann muss man sich überlegen: Mit wem spreche ich darüber? Einerseits ist es ein Vorteil, mit anderen zu sprechen, um deren Einschätzungen zu bekommen. Man kann sich ja auch täuschen. Der Whistleblower ist typischerweise nicht in einer Position, von der aus er alles überblickt, sondern er sieht nur einen kleinen Ausschnitt des vermeintlichen Problems. Manchmal lässt sich das ziemlich schnell aufklären oder es entpuppt sich sogar als Missverständnis. Andererseits ist es so: Kollegen, Gewerkschaftler, Betriebsräte, je mehr Leute ich frage, desto mehr laufe ich Gefahr, aufzufliegen. Und zwar vielleicht, noch bevor ich offiziell auf die Dinge hingewiesen habe.

Unter welchen Bedingungen haben Whistleblower Erfolgsaussichten?

Whistleblower sind nur erfolgreich, wenn es ihnen gelingt, mächtige Unterstützer zu gewinnen. Das sagen jedenfalls amerikanische Studien. Das kann direkt im Unternehmen sein. Es kann auch Druck von außen sein, über Behörden oder über Öffentlichkeit.

 

NACH OBEN!